Das Erste, das ich gelernt habe, als ich wusste, dass ich mich als freie Lektorin selbstständig machen will, war: Die Tätigkeit von Lektor:innen wird vollkommen missverstanden. Noch immer haftet das ewig alte Klischee: „ein bisschen Rechtschreibfehler korrigieren, hier und da ein Komma setzen“, das kann ja nicht so schwer und schon gar nicht teuer sein. Mancher, der zumindest schon ein bisschen affiner ist, ergänzt noch: „Die gucken halt, dass deine Sätze nicht immer mit dem gleichen Wort anfangen.“

Und auch wenn schon viel dafür getan wird (z. B. durch den Verband der freien Lektorinnen und Lektoren), den Lektor:innenberuf auf ein hohes Level zu bringen, denn da gehört er zweifelsfrei hin, müssen wir uns immer noch durchsetzen, uns behaupten, uns beweisen.

 

Was wir tun und warum es so wertvoll ist

Unsere Arbeit ist wertvoll, äußerst wertvoll. Denn ohne sie, gäbe es nicht diese Millionen von wundervollen Texten, Büchern und Kurzgeschichten. Wir stecken viel Zeit, Geduld und Mühe in die uns anvertrauten Manuskripte, denn wir wollen, dass sie gut werden, richtig gut. Und ich kenne keine Lektorin und keinen Lektor, die/der ihren/seinen Beruf nicht mit voller Leidenschaft ausübt. Und diese Leidenschaft gilt nicht nur für Fehlerbeseitigungen, nein, sie gilt für viel mehr. Wir wollen, dass der Text in einem durch flüssig zu lesen ist. Dass er inhaltlich schlüssig, absolut logisch und verständlich ist. Dass die Charaktere authentisch sind, etwas zu sagen haben und die Handlung voranbringen (sonst können sie nämlich weg). Dass der gewählte Schreibstil passt und sich durch das gesamte Manuskript zieht. Dass die Sprache der Zielgruppe (Schande, wenn du die nicht kennst) entspricht und sich nicht plötzlich im Laufe des Textes ändert. Wir wollen all das, weil wir wissen, dass die Leser:innen ihr Lesen sonst abbrechen. Weil das Lesen sonst keinen Spaß macht, egal wie gut die Story ist. Und wer will das schon?

Und ja, wir wollen natürlich auch, dass keine ständigen Wiederholungen auftauchen, behutsam mit Adjektiven und Füllwörtern (z. B. irgendwie, ja, auch, dann usw.) umgegangen wird, Sätze nicht umständlich formuliert sind, die Grammatik passt (wobei hier manchmal Schönheit vor Korrektheit geht), die neue deutsche Rechtschreibung akribisch verwendet wird und Kommas dahingesetzt werden, wo sie hingehören. (Über Kann-Kommas kann man streiten, sie dienen hauptsächlich zur Strukturierung eines Satzes.)

Und damit all das berücksichtigt wird, brauchen wir Zeit. Das ist nicht mal eben so erledigt. Und diese Zeit kostet Geld. Und da wir fast alle freiberuflich arbeiten, uns also selbst versichern, Einkommenssteuer zahlen etc., können wir nicht für zwanzig Euro die Stunde (auch nicht für fünfundzwanzig) oder drei Euro pro Normseite arbeiten. Denn davon kann kein Mensch leben.

 

Brauchst du ein Lektorat?

Und ja, wenn du willst, dass dein Manuskript gut wird, brauchst du ein Lektorat! Auch wenn du Deutschlehrer:in, Journalist:in oder Nobelpreisträger:in bist. Denn für deine eigenen Texte bist du blind. Es gibt natürlich Unterschiede zwischen Texten. Man merkt schon, ob da jemand Deutschlehrer:in, Journalist:in oder Nobelpreisträger:in ist. Deshalb bieten wir ja auch keine Standardpreise an, sondern schneiden für jede/n ein individuelles Angebot zurecht. Doch bevor es überhaupt zu einem Angebot kommt, müssen wir mit dem Text und mit der Autorin/dem Autor erst mal warm werden. Wir bieten kostenfreie Erstgespräche an, lesen die Texte, machen Probelektorate – investieren also schon viel Zeit, bevor es überhaupt zum Auftrag kommt. Und das machen wir gerne, denn wir lieben unsere Arbeit. Das ist der große Vorteil. Wir können es kaum erwarten, uns an den Laptop zu setzen und loszulegen. Aber wir wollen auch, dass das alles wertgeschätzt wird. Normal.

Und übrigens brauchst du ebenfalls eine/ein Lektor:in, wenn du zu einem Verlag möchtest. Denn du hast garantiert mehr Chancen bei einem Verlag oder einer Literaturagentur unterzukommen, wenn dein Manuskript schon in einem sehr guten Zustand ist. Der Verlag wird sicherlich auch noch mal lektorieren, denn in der Regel haben sie ganz bestimmte Vorstellungen, die man vorher nicht weiß, aber Verlage sind froh, wenn sie da nicht mehr so viel Zeit investieren müssen. Denn diese Zeit haben sie meist nicht.

 

Wertschätzung auch durch angemessene Bezahlung

In den Calls, die ich mit anderen Lektorinnen regelmäßig habe, und auch in Seminaren, wird am Ende immer über ein Thema gesprochen: die Bezahlung. Viele trauen sich nicht, einen angemessenen Preis für ihre Arbeit zu nehmen (und drei Euro pro Seite ist ganz und gar nicht angemessen), haben Mitleid mit den finanziellen Gegebenheiten ihrer Kund:innen (die sie gar nicht kennen können und die sie auch nichts angehen) und kommen so oft mehr schlecht als recht über die Runden. Doch ganz langsam ist hier ein Umdenken im Gange, und auch ich bin nicht müde zu betonen: Nicht die Finanzen eurer Kunden stehen im Fokus, sondern eure wertvolle Arbeit. Nicht dass der Kunde am Ende mit einem Porsche durch die Gegend fährt, aber nur für einen Fiat Panda gezahlt hat. Das kann doch niemand wollen.

Deshalb, liebe Leser:innen, denkt an diesen Beitrag, wenn ihr mal auf der Suche nach einer guten/einem guten Lektor:in seid und lasst es euch eure Texte wert sein.

 

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