Ein toller Roman und Tilda die sympathischste Prota ever. Genauso wie ihre kleine Schwester Ida, die beiden kann man nur ins Herz schließen. Aber für den ganz großen Hype, der es für viele ist, hat es bei mir nicht gereicht.

Tilda ist schätzungsweise Anfang 20 und wohnt mit ihrer zehnjährigen Schwester Ida und ihrer alkoholkranken Mutter in einem grauen Haus in der Fröhlichstraße. Die Fröhlichstraße hat mich unweigerlich an Lotta aus der Krachmacherstraße von Astrid Lindgren erinnert. Aber egal.

Die Mutter ist zu nichts zu gebrauchen und zu helfen ist ihr auch nicht mehr und dazu wird sie manchmal auch noch gewalttätig. Während Tildas Freund:innen ihr Leben und ihre Freiheit genießen, stemmt Tilda ihrs irgendwie, hat gefühlt aber alles unter Kontrolle, fühlt sich in keiner Weise als Opfer und kümmert sich rührend um Ida. Und sie weiß, die kleinen Dinge zu schätzen. Das mochte ich sehr.

Tilda studiert Mathematik und arbeitet an der Supermarktkasse, um Geld für die Familie zu verdienen. Großartig ist, wie Tilda anhand der Produkte, die auf dem Kassenband liegen, rät, um welche Sorte Mensch es sich handelt. Tilda ist dazu ein Matheass. Und: Um den Kopf frei zu bekommen, schwimmt sie fast jeden Tag 22 Bahnen im Freibad.

Sie trifft auf Viktor, die Nicht-Beziehung der beiden ist kompliziert, von Anfang an. Und dann bekommt sie eine Chance auf eine Promotionsstelle in Berlin. Sie fängt an zu überlegen, tüftelt an einem Plan, wie Ida es schaffen kann, ohne sie klarzukommen. Diesen Plan fand ich jedoch etwas abstrus.

Tilda ist toll, wirklich, allerdings erscheint sie mir manchmal etwas zu kindlich durch die vielen Wiederholungen in den Sätzen bzw. ihren Gedanken. Aber diese Geschwisterliebe zwischen ihr und Ida ist einfach wirklich zutiefst berührend. Allerdings hat es mich gestört, dass sie Ida einfach so Energy Drinks trinken lässt. (Liegt vielleicht daran, dass ich selbst Mama bin.)

Mit Viktor bin ich leider nicht klargekommen. Er erschien mir sehr hölzern und distanziert. Und dazu passt dann das Ende eigentlich auch nicht so richtig. Generell war mir das Ende zu einfach, dafür, wie schwierig es die ganze Zeit war. Auch Ida ist mir zu schnell zu gut klargekommen. Auch wenn ich es den beiden natürlich die ganze Zeit gewünscht hatte.

Und die Umsetzung der wörtlichen Rede hat mich jedes Mal aus dem Lesefluss gebracht. Dass keine Anführungszeichen verwendet werden, finde ich ja irgendwie gut, aber jedes Mal den jeweiligen Namen und dann einen Doppelpunkt vor die wörtliche Rede zu setzen, fand ich anstrengend.

Insgesamt aber ein wirklich tolles Buch, das ein trauriges Thema mit Leichtigkeit gefüllt hat. Mit zwei Protagonisten, die man einfach lieben muss.

22 Bahnen

Vielleicht interessieren dich auch folgende Beiträge:

22 Bahnen von Caroline Wahl – Buchrezension

Ein toller Roman und Tilda die sympathischste Prota ever. Genauso wie ihre kleine Schwester Ida, die beiden kann man nur ins Herz schließen. Aber für den ganz großen Hype, der es für viele ist, hat es bei mir nicht gereicht. Tilda ist schätzungsweise Anfang 20 und...

Was wir sind von Anna Hope – Buchrezension

Ein sehr tiefsinniger Roman über Freundschaft und die Suche nach dem, der man sein möchte. Hannah, Lissa und Cate leben in London, sind Mitte dreißig und stehen an unterschiedlichen Punkten in ihrem Leben. Während Hannah verzweifelt versucht, mit ihrem Mann Nathan ein...

Die anderen von Laila Lalami – Buchrezension

Aufgrund des Klappentextes hatte ich tatsächlich ganz andere Erwartungen an das Buch. Mehr Spannung und das Lüften eines großen Geheimnisses, das Noras Vater mit sich herumgetragen hat und welches sie jetzt nach seinem tödlichen Unfall herausfindet.  Ja, da gibt...

Namasté Corona von Michael Moritz – Buchrezension

Namasté Corona - Wie ein Dorf in Nepal mir die Welt öffnete Michael braucht einen Cut in seinem Leben, weg von Höher, Schneller, Weiter hin zu … Ja, wohin?Das will er herausfinden, indem er reist.Immer weiter reist.Zu Fuß, mit dem Fahrrad, mit dem Zug, mit dem...

Offene See von Benjamin Meyers – Buchrezension

Ein wunderbar feinfühliger Roman über einen Heranwachsenden (Robert), der nach der Schule (der Roman spielt im Jahr 1946) zunächst das Leben spüren und das Meer sehen will, bevor er die nächsten Jahre unter Tage arbeiten muss. Auf seinem Weg zu Fuß durch England bis...
Kopfreisen Lektorat, Korrektorat und Text